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Ausgewählte Werke von Emil Gilels

Emil Gilels

Klischees können helfen. Etwa, wenn es bei einem Künstler um die oberflächliche Eindordnung als „Junger Wilder“ oder „Gereifter Weiser“ geht. Klischees können aber auch mächtig in die Irre führen, weil sie eben nur an die Oberfläche rühren – das Wort kommt ja ursprünglich aus der Drucktechnik und bezeichnet einen „Abklatsch“, einen Probeabzug, und gedruckt wurde zur Zeit der Wortgeburt noch ausschließlich zweidimensional.

Die dritte Dimension der Tiefe, der „Welt dahinter“ bleibt beim Klischee außen vor.

Für den großen sowjetischen Pianisten Emil Gilels (19. Oktober 1916 – 14. Oktober 1985) griffen viele selbsternannte Kenner nur zu gerne zu Klischees, um den Ausnahmekünstler irgendwie einordnen zu können. „Tastenlöwe mit mächtiger Pranke aus russischer Klavierschule mit linientreuer Sowjetgesinnung“ fasst gleich drei davon zusammen. Alle greifen zu kurz und bleiben an der Oberfläche.

Zunächst stammt Gilels, dessen jüdischer Vorname Shmuel im durchaus auch antisemitischen Stalinismus der frühen Sowjetunion in den neutralen Emil gewandelt wurde, nicht aus Russland, sondern aus der Ukraine. Genauer aus der Hafenstadt Odessa, offenbar ein guter Nährboden (Achtung: Klischee!) für große Musiker.

Die Pianisten Samuel Feinberg, Shura Cherkassky oder Benno Moiseiwitsch und die Geiger David Oistrach und Nathan Milstein wuchsen zum Beispiel auch dort auf. Vater Gilels war Buchhalter, doch Emil wie auch seine jüngere, geigende Schwester Elizabeth zeigten enormes musikalisches Talent, das auch früh gefördert wurde.

1929 gab Emil Giles seinen ersten Klavierabend, 1933 gewann er gegen alle Widerstände als 16jähriger den ersten All-Unions-Klavierwettbewerb.

Genosse Josef Stalin wurde auf ihn aufmerksam und bezeichnete den mit flammenden Haupthaar und schier diabolischem Talent Gesegneten als „meinen rothaarigen Teufel“. Es war die Zeit unfassbarer Barbarei und mordlüsterner „Säuberungen“ in Partei und Gesellschaft – kaum einer, der je in Stalins oder seiner Schergen Blickfeld geraten war, konnte seines Lebens oder seiner Freiheit sicher sein.

Doch Gilels ging seinen Weg. 1935 wurde er, auch um die virtuose Teufelskralle zu kultivieren, Schüler des berühmten Heinrich Neuhaus (1888- 1964). 1936 gewann er „nur“ den zweiten Platz beim Internationalen Musikwettbewerb Wien, doch zwei Jahre darauf stand er beim Concours Eugène Ysaye in Brüssel (heute Concours Reine Eilisabeth) ganz oben auf dem Siegerpodest.

Doch im Kreise der Neuhaus-Schüler fühlte er sich immer im zweiten Glied, denn der deutschstämmige Pädagoge machte ihn zwar zu seinem Assistenten, förderte (und bewunderte) aber einen anderen: Svjatoslav Richter (1915 -1997). Der ein Jahr Ältere galt dem Lehrer als das größere Genie. Doch statt die Rivalität zu schüren, fraß der zurückhaltende, stets bescheiden auftretende Gilels den möglichen Frust in sich hinein. Als er viele Jahre – und viele sowjetische Auszeichnungen – später, nach seinem triumphalen ersten Auftritten in den USA 1955 mit Beifall überschüttet wurde, winkte er ab und meinte, man sollte erst einmal Richter (bis dahin im Westen völlig unbekannt) hören.